Beim damals noch jungen Schweizer Fernsehen tat man sich bis Mitte der 1960-er Jahre schwer mit dem Beat Sound von der britischen Insel, der die Jugend in einen Begeisterungstaumel versetzte. Im Vorabendprogramm des Unterhaltungsmediums par excellence hatte es ein paar augenzwinkernde Berichte über langhaarige Beatfans und ihre Orchester gegeben, doch eine zeitgemässe Jugendsendung war weit und breit nicht auszumachen.
Ende 1965 wagten der Produzent Jean Niedermann und der Regisseur Gianni Paggi dann doch den Sprung in kalte Pop-Gewässer: Ihre neue Sendung hiess «Hits à gogo», versuchte bei den grossen englischen Pop-Shows von «Ready Steady Go» bis «Thank Your Lucky Stars» und ihrem deutschen Pendant «Beat Club» anzuknüpfen, war jedoch vorerst ziemlich bieder. Beim Testlauf im Dezember 1965 standen Udo Jürgens und die Lords auf dem Programm. Letztere starrten unbeteiligt in die Kamera, während ihre neue Single gespielt wurde. Auf einem Podium taxierten vier brävliche «Experten» die neu vorgestellten Platten als «Hit oder Niete», während sich im Publikum die Tänzer ziemlich verklemmt zur Musik bewegten. Als Präsentator hatte man den Texaner Mal Sondock engagiert, der sich in Deutschland einen Namen als Discjockey bei AFN gemacht und auch ein paar schreckliche Schlagerplatten auf dem Gewissen hatte. Der rundliche Kurzhaarträger präsentierte die Sendung mit amerikanischem Akzent - das war das Einzige, was «Hits à gogo» an internationalem Format zu bieten hatte. Sondocks Beziehungen zur deutschen Schlagermafia, die dem Schweizer Fernsehen Auftritte von Manuela und Rex Gildo bescherten, waren auch kein Trost. Es schien, als sei die neue Sendung eine Alibi-Übung: Man war wieder einmal viel später, langsamer und vorsichtiger als die Konkurrenz aus dem Ausland.
Mit der Zeit war eine leichte Besserung festzustellen. «Hits à gogo» ging jetzt live über den Sender und machte Station an der Basler Mustermesse und im Berner Bürgerhaus. Die noch junge Sendung schaffte es, einige grosse Namen wie die Teenstars The Walker Brothers, den grossartigen britischen Rhythm'n'BluesSänger Chris Farlowe und die stimmgewaltige Julie Driscoll ins Studio zu holen. Dazu erhielten immer wieder Schweizer Gruppen die Chance für einen TV-Auftritt. Les Sauterelles waren die Nr. 1: Sie flimmerten von 1966 bis 1968 viermal über die «Hits à gogo»-Mattscheibe - ihre Basler Kollegen The Sevens und einige andere Bands wie The Countdowns, The Times und The Gentlemen mussten sich mit einem einzigen Auftritt begnügen. Die Sauterelles waren es auch, die für die Pop-Sendung den ersten Schweizer Videoclip produzierten: eine blumige, bunte Umsetzung ihres Hits «Heavenly Club», die sich einmal mehr an den Beatles orientierte. So erhielten die Swiss Beatles doch noch ihren eigenen Film - auch wenn er nur knapp drei Minuten dauerte.
Für TV DRS war der energische, ja autoritäre Jung-Regisseur Gianni Paggi ein Glücksfall: Er sorgte unter widrigsten Umständen - die Vorbereitungszeit für eine 40-minütige Sendung betrug einen halben Tag – und mit wenigen dramaturgischen Kniffs für etwas Pop-Feeling, das die steife Stimmung im Studio im altehrwürdigen Gesellenhaus am Wolfbach auflockerte. Doch wenn richtige Pop-Stars aufkreuzten, geriet auch Paggi schnell ins Schleudern. Bei einer Zürcher Stippvisite von Manager Andrew Loog Oldham und den Zugpferden aus seinem «Immediate»-Stall im Sommer 1967 kam die Schweizer TV-Crew ins Schwitzen. Oldham gab den selbstverliebten Grosskotz und beantwortete die ihm gestellten Fragen bloss mit «yes» und «no» - obschon er eigentlich auf Promotion-Tour für sein junges Schallplattenlabel war. Auch seine Musiker, die Small Faces, Chris Farlowe und Twice As Much waren ungeniessbar und gelangweilt. Nur die Sängerin P. P. Arnold zeigte sich umgänglich - sie avancierte prompt zum Liebling der Zürcher Pop-Schickeria. Ein einziges Mal liess sich auch Oldham aus seiner Lethargie reissen. Als Übersetzer Heiner Hepp ihm die drängende Frage «what do you think about LSD?» stellte, ergriff Oldham das ihm entgegengestreckte Mikrophon. Dann steckte er es kommentarlos ins Erdbeertörtchen, das ihm zum Dessert serviert worden war: «Strawberry Fields Forever». Im Herbst 1968 kam es zu personellen und technischen Umstellungen bei «Hits à gogo». Mel Sondock war mit seinem Bürolisten-Look für eine zeitgemässe Sendung schlicht nicht mehr tragbar. So engagierte man die burschikose Münchner Sängerin und TV-Ansagerin Suzanne Doucet und den widerborstigen Heiner Hepp. Das Moderatoren-Duo passte partout nicht zusammen: Hepp nervte sich über die oberflächliche Professionalität seiner Kollegin und wollte mit seinen ersten Studiogästen, den Klassik-Rockern The Nice, gleich eine heisse Debatte über Amerika und den Vietnam-Krieg anreissen. Er hatte sich von einem provokativen Plakat von Keith Emerson und Co. inspirieren lassen, das diese zur Promotion für ihre Single «America» unter die Leute gebracht hatten. Nach der Hauptprobe stürzte sich der TV-Unterhaltungschef Max Ernst höchstpersönlich auf Hepp. Er verkündete in autoritärem Ton die Botschaft, dass Unterhaltung und Politik nichts miteinander zu tun hätten. Besonders jetzt, wo die Russen in die Tschechoslowakei einmarschiert waren, seien kritische Bemerkungen gegenüber den USA unerwünscht.
Die Fernsehgewaltigen drücken sich allzu oft vor Stellungnahme mit der Ausrede: im Unterhaltungsprogramm hat man zu unterhalten, und damit basta. Unpolitisch sein ist aber auch eine Politik. Die Renommierstücke der Unterhaltungsabteilung, «Holiday in Switzerland» und «Kummerbuben» befolgen auch eine Politik, nämlich jene des Nichtssagens. Man kann das auch Unterhaltung zur Problemverdrängung nennen. «National-Zeitung», Dezember 1968.
Hardy Hepp biss die Zähne zusammen. Er spielte sich bei der «Colors a gogo»-Liveübertragung aus der FERA – einer der ersten Farbsendungen des Schweizer Fernsehens – mit angestrengter Lockerheit durch eine Serie von peinlichen Sketches und dümmlichen Fragen an blässliche Zweitklass-Popper. Engagierte Musik und Fernsehen: Das sollte einfach nicht zusammenkommen. Schon nach drei Sendungen nahm Hepp den Hut. Er überliess das Feld seiner Kollegin Suzanne Doucet. Die Leichtigkeit der Unterhaltungsbranche war ihm unerträglich geworden. Ein Aufbruch stand bevor.
«Leider ist von den Hits à gogo'-Sendungen in unserem Archiv nicht mehr viel vorhanden. Allzu oft wurden Bänder gelöscht. Zudem hat ein Wasserschaden an der Kreuzstrasse viele dieser einmaligen Dokumente zerstört. Schade!»
Mani Hildebrand: Hits à Gogo. (PDF; 82,2 KB) In: srf.ch. Schweizer Radio und Fernsehen, abgerufen am 16. April 2022. Er war, Musikredakteur des Schweizer Radio und Fernsehen, von 1968 bis 1984.
Hits à gogo wurde bald zur schweizerisch/deutschen Koproduktion, was den Professionalitätsstandard etwas anhob. Im Jahr 1973 wurde Hits à gogo beim Schweizer Fernsehen abgesetzt, da neue Programmrichtlinien festlegten, dass der Hauptabend für Programme mit einer breiten Zuschauerbasis reserviert war. Darüber hinaus wurde es immer schwieriger, Künstler live nach Zürich zu bringen, weshalb es einfacher war, Musikvideos anstelle von Live-Auftritten weltweit zu verbreiten. In Deutschland wurden bis 1978 weitere Live-Sendungen fortgeführt.
Text by Samuel Mumenthaler